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Der Verdauungsausschuss

Aus dem Buch «Die Abenteuer des Jonathan Gullible», eine marktwirtschaftliche Odyssee von Ken Schoolland

Eine von vielen Geschichten aus dem Buch, das ich gestern entdeckt habe. Das freie PDF gibt es hier.

Er hatte noch die Geschichte vom Hasen in seinem Kopf, als er nach dem Weg zum Palast fragte. Die alte Frau legte eine Hand auf seinen Arm und warnte: »Bitte, Jonathan, erzähle niemandem über das Essen, das wir dir gegeben haben. Wir haben keine Erlaubnis.«
»Wie, Sie brauchen eine Erlaubnis, um Essen zu servieren?« fragte Jonathan.

»In der Stadt, ja«, erwiderte die Großmutter. »Und wir können wirklich Probleme bekommen, wenn die Behörden davon erfahren – Essen zu servieren ohne eine Erlaubnis.«
»Wozu dient die Erlaubnis?«

»Sie garantiert einen bestimmten Standard des Essens für alle. Vor Jahren kauften die Stadtleute ihr Essen von Straßenhändlern, in Eckkneipen, guten Restaurants oder sie kauften die Nahrung im Laden und kochten legal zu Hause. Der Hohe Rat meinte, daß es ungerecht ist, wenn manche Leute besser essen als andere. Deshalb wurden per Gesetz politische Cafés geschaffen, wo jeder aus der Stadt das Standardessen kostenlos essen kann.«

»Natürlich nicht wirklich kostenlos«, sagte der Großvater. Er nahm seine Geldbörse und schwenkte sie langsam vor Jonathans Gesicht. »Die Kosten für jede Mahlzeit sind viel höher als jemals zuvor, aber niemand bezahlt sie direkt. Väterchen Staat hat mit unseren Steuern bezahlt.
Und weil die politischen Cafés schon bezahlt waren, hörten viele Leute auf, zu den privaten Anbietern zu gehen, wo sie noch einmal zahlen mußten. Die Privaten hatten jetzt weniger Kunden, um die Ausgaben zu bezahlen, und mußten die Preise erhöhen. Einige überlebten mit einer Handvoll reicher Kunden oder mit speziellen religiösen Gerichten, aber die meisten mußten schließen.« »Warum bezahlt denn jemand noch einmal für das Essen, wenn er es in den politischen Cafés kostenlos bekommt?« wunderte sich Jonathan.

Die Großmutter lachte: »Weil die politischen schrecklich wurden – die Köche, das Essen, die Atmosphäre – alles! Schlechte Köche werden in den politischen Cafés nie entlassen. Ihr Stand ist zu stark. Und wirklich gute Köche werden selten belohnt, weil die schlechten Köche dann neidisch werden. Die Stimmung ist mies, das Essen fade und der Verdauungsausschuß entscheidet über die Speisekarte.«

»Das ist das schlimmste dabei«, rief der Großvater. »Sie versuchen, ihre Freunde zufriedenzustellen und letztlich ist niemand jemals zufrieden. Du hättest den Kampf um das Brot und die Kartoffeln sehen sollen. Brot und Kartoffeln, tagein, tagaus für Jahrzehnte.
Dann organisierte die Pastalobby eine Kampagne für Nudeln und Reis. Kannst du dich daran erinnern?« nickte er seiner Frau zu. »Als die Nudelfans schließlich ihre Leute in den Ausschuß gebracht hatten, hörten wir das letzte Mal von Brot und Kartoffeln.«

Luise verzog den Mund. Sie schaute hinter dem Rock ihrer Großmutter hervor und rümpfte ihre Nase voller Abscheu: »Ich hasse Nudeln, Omi.«
»Es ist besser, wenn du sie ißt, mein Liebes, sonst holen dich die Ernährungsbeamten.« »Ernährungsbeamte?« fragte Jonathan.

»Schhh«, sagte der Großvater und hielt einen Finger an seine Lippen. Er sah über seine Schulter und die Straße hinunter, ob sie jemand sah. »Die, die die politisch anerkannten Speisen nicht essen, werden von den Ernährungsbeamten mitgenommen. Die Kinder nennen sie ›Ernies‹. Ernies überwachen die Teilnahme an den Mahlzeiten genau und suchen jeden, der nicht vorbeikommt. Ernährungsverbrecher werden in spezielle Haftcafés gebracht und mit Gewalt gefüttert.«

Luise schauderte bei dem Gedanken: »Aber können wir nicht einfach zu Hause essen? Omi kocht doch am besten.«
»Das ist nicht erlaubt, Liebes«, sagte die Großmutter und tätschelte ihr auf den Kopf. »Einige Leute haben eine besondere Erlaubnis, aber Opi und ich sind nicht dafür ausgebildet. Und wir können uns die komplizierten Küchengeräte nicht leisten, die ihren Anforderungen entsprechen. Siehst du, Luise, die Politiker glauben, sie sorgen sich mehr für dich als wir.«

»Außerdem«, fügte der Großvater hinzu, »müssen wir beide arbeiten, um die Steuern dafür zu zahlen.« Er lief murrend um die Veranda und sprach halb zu sich selbst: »Sie erzählen uns, wir hätten jetzt ein niedrigeres Esser-pro-Koch-Verhältnis als jemals zuvor, obwohl die halbe Bevölkerung falsch ernährt ist. Der ursprüngliche Plan, den Armen bessere Nahrung zu geben, führte zu einer armseligeren Nahrung für alle.

Einige Eigenbrötler haben sich geweigert zu essen und sind fast am Verhungern, obwohl das Essen nichts kostet. Und schlimmer noch, Gaunerbanden ziehen durch die politischen Cafés und niemand fühlt sich dort mehr sicher.«
»Hör auf, Opi!« sagte die Großmutter, als sie den besorgten Blick auf Jonathans Gesicht sah. »Er wird sich zu Tode fürchten, wenn er in ein politisches Café geht. Halte einfach deine Ausweiskarte bereit, wenn du an der Tür bist. Dann kann dir nichts passieren.«

»Danke für Ihre Sorge, Großmutter«, sagte Jonathan und fragte sich, wie wohl eine Ausweiskarte aussehen könnte und wie er jemals ohne sie Essen bekommen würde. »Könnte ich mir vielleicht noch ein paar Scheiben Brot einpacken, bevor ich gehe?«

»Aber sicher, mein Lieber. Soviel wie du willst.« Sie ging in die Küche zurück und kam mit mehreren Scheiben wieder, die sauber in eine Serviette eingewickelt waren. Sie blickte verstohlen in beide Richtungen, ob einer der Nachbarn sie beobachtete, dann gab sie sie Jonathan stolz und sagte: »Paß gut darauf auf. Es geht das Gerücht um, daß unser Lieferant vor kurzem von der Nahrungspolizei verhaftet wurde. Zeige also niemandem dieses Brot, ja?«

»Sicher. Und vielen Dank für alles.« Jonathan winkte zum Abschied und trat auf die Straße. Er fühlte sich wohl bei dem Gedanken, daß er ein Zuhause auf dieser merkwürdigen Insel gefunden hatte.

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