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Links, zeitgeistig und machtverliebt – Liberale Gedanken zu den Intellektuellen

Der neue Denkanstoss der Progress Foundation, Zürich, ist der Frage gewidmet, weshalb sich der Vormarsch nicht-freiheitlichen Gedankenguts durch die Gesellschaft und ihre Institutionen so schwer aufhalten lässt. Drei Autoren, drei Sichtweisen, eine Einsicht: Die Immunisierung beginnt in Kopf und Herz der Einzelnen.

Der Unternehmer und Financier Tito Tettamanti ortet den Hauptgrund für das Malaise in einer ausdrücklich erdachten und gewollten Strategie des französischen Philosophenehepaars Mouffe-Laclau. Dieses habe dem klassischen Sozialismus und dessen Konzentration auf die Arbeiterklasse den geistigen Todesstoss versetzt und habe stattdessen die wie auch immer Benachteiligten dieser Welt zum revolutionären Proletariat erhoben. Die Phase 1 dieses Vorgangs, nämlich der Siegeszug der Benachteiligten aller Nationen durch die Institutionen freier Staaten und Gesellschaften, sei erfolgreich abgeschlossen. Was nun gemäss Tettamanti als Phase 2 folgt, wird der absolute politische Machtanspruch und auf dem Weg dazu die Ablehnung demokratischer, föderalistischer und rechtsstaatlicher Eindämmung von Gewalt und Macht sein.

Der Publizist Gerhard Schwarz arbeitet sich an der Affinität von Intellektuellen zu Utopien ab. Den Vorwurf mangelnder Praxisorientierung von Intellektuellen weist er als nicht hinreichend zurück. Vielmehr ortet er Denkfehler und illusorische Vorstellungen bei der gedanklichen Arbeit zum Übergang von der Utopie zur strategischen Zielsetzung. Daraus leitet sich letztlich auch eine erschreckende Bereitschaft intellektueller und kulturell orientierter Kreise ab, der Gewalt zur Verwirklichung utopischer Ziele zuzustimmen. Der Lesbarkeit grundsätzlich schwerer Kost ist es zuträglich, dass ein Teil der Überlegungen von Gerhard Schwarz in Gesprächsform niedergelegt ist. So begegnen sich René Scheu, früherer Feuilletonchef der NZZ, und der langjährige Chef der NZZ-Wirtschaftsredaktion auf gedanklicher Augenhöhe. Schwarz weist beispielhaft auf den Unterschied hin zwischen einer nach vorne offenen Utopie, wie sie Friedrich August von Hayek in seinen gesellschaftsphilosophischen Schriften skizziert hatte, und den deterministischen Gesellschaftsmodellen, wie sie den Sozialismus und die weniger stringent formulierten anderen Totalitarismen kennzeichnen.

Der Historiker Oliver Zimmer beschäftigt sich schliesslich eingehend mit dem Phänomen, dass der «neumodische Liberalismus» im Gegensatz zum klassischen Liberalismus fälschlicherweise von einem idealen Endzustand der gesellschaftlichen und damit geschichtlichen Entwicklung ausgehe und auf diese Weise einem deterministischen, ja eschatologischen Glauben anhänge. In der Tat muten Vorstellungen über den von einem «Weltethos» beherrschten und von irgendwelchen nichtgewählten Kräften regierten Erdball endzeitlich und angesichts der realen Zerwürfnisse reichlich utopisch an. Oliver Zimmer hält der Wirtschaftselite und ihren Vordenkern den Spiegel vor, indem er den «neumodischen Liberalen» sozusagen axiomatischen Verrat vorwirft. Wer Freiheit denkt und meint, kommt nämlich um die Ungewissheit jeglichen Ausgangs und um die damit verbundene, unabdingbare Wahrnehmung von Verantwortung nicht herum. Die Gewissheit der «neumodischen Liberalen» und ihre Distanz zu demokratischen Korrekturprozessen entspricht einem Widerspruch in sich selbst und ist verheerend, auch und gerade, wenn sie in technokratischer Begrifflichkeit von einer sich globalistisch gebenden Priesterschaft vorgetragen wird.

Den gesamten Text und eine PDF-Version finden Sie hier.

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