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Familie ist Privatsache

Von Olivier Kessler

Unter dem Schlagwort der „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ rollt eine etatistische Welle über unser Land. Schamlos bedienen sich die staatlichen Raubritter am Eigentum von eigenverantwortlich handelnden Familien. Die SVP-Familieninitiative entschärft die Situation – ein bisschen.

Die Historie des Wohlfahrtsstaates ist eine tragische – obwohl sie von Links immer wieder als Erfolgsgeschichte dargestellt wird. In zunehmendem Masse wurden staatliche Zwangsinstitutionen errichtet zur angeblichen Absicherung gegen allerlei Risiken, die das Leben so mit sich bringt. Uns allen wurden kollektive Systeme verordnet, die uns vor Alter, Armut, Arbeitslosigkeit, Krankheit und allen weiteren erdenklichen Unannehmlichkeiten schützen sollen. All dies geschah auf Kosten der Eigenverantwortung, der Selbsthilfe und der Zivilgesellschaft. Einzig dem Staat wurde es noch zugetraut, dass er für seine Bürger sorgen kann. Menschen, die für sich selbst sorgen können? Aus staatsgläubiger Perspektive unmöglich.

Dank der Sozialdemokratisierung und dem Siegeszug der etatistischen Ideologien in unseren Köpfen, breitete sich der Wohlfahrtsstaat-Moloch immer weiter aus. Die Folgen dieser Monopolisierung und Zentralisierung von Versicherungsleistungen sind aus dem Ruder laufende Sozialkosten, die wir alle berappen müssen – mit höheren Steuern, Krankenkassenprämien und Lohnabzügen. Diese emporschiessenden Kosten für staatlich regulierte Sozialversicherungsleistungen bringen viele Familien in die Bredouille. Immer öfter werden sie gezwungen, die Kinderbetreuung zu vernachlässigen und dafür einen Zweitverdienst zu erwirtschaften. Die Politik fühlt sich nun natürlich berufen, das Problem in die Hand zu nehmen.

Interventionsspirale

Ludwig von Mises vermutete, dass der Interventionismus in den freien Markt über kurz oder lang aus politischen Gründen mit der Verstaatlichung der Produktionsmittel enden wird. Diesen Gedanken hat auch Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek in seinem Buch „Weg in die Knechtschaft“ wieder aufgenommen. Die beiden vermuten, dass jeder staatliche Eingriff in den Markt die Politiker nötigt, weitere Interventionen vorzunehmen – da die ursprüngliche Intervention das Ziel verfehlt und neue Probleme hervorgebracht hat. Diese müssen dann wiederum den Problemverursachern gelöst werden. Durch diesen selbst induzierten Teufelskreis sorgt die Politikerkaste dafür, dass ihr die Arbeit nie ausgeht.

Diese Interventionsspirale dreht sich nun schon seit einigen Jahrzehnten. Während die Gesetzesbücher immer dicker werden, schmelzen negativ korrelierend auch unsere Freiheiten dahin. Kürzlich haben unsere Politiker auch die Familie als neues Politikfeld entdeckt, in dem sie ihre Regulierungswut ausleben können. Zunächst legten sie den Betreibern von privaten Krippenplätzen eiserne Ketten an und regulierten viele Anbieter unter dem Vorwand der „Qualitätssicherung“ fast zu Tode. Danach behaupteten die eifrigen Interventionisten, dass der Mangel von ausreichenden Krippenplätzen sie zum Handeln zwinge. Dass diese Angebotsverknappung auf dem Gebiet der Krippenplätze aber von der Politik durch restriktive Auflagen und Hürden erst geschaffen wurde, entging den Regulierern.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Seit Familien immer stärker mit zunehmenden Steuern, Abgaben und Gebühren an den Wohlfahrtsstaat zu kämpfen haben, trat die Diskussion über die „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ immer stärker zutage. Über dieses Ziel war man sich schnell einig und die vermeintliche Lösung dieses Problems war auch schnell gefunden: der Staat. Also gerade derjenige Akteur, der die Sozialwerke finanziell Schritt für Schritt an die Wand fährt, der seine monopolistischen Institutionen zur Unterwanderung des Eigentumsschutzes nützt und sich mit einer immer grösseren Beamtenschaft an seinen Bürgern bereichert, soll nun also ausgerechnet persönliche Familienprobleme lösen können. Na dann Prost.

Seit 2003 subventioniert der Bund Kinderkrippen – und zwar auf Kosten von jenen, die keine Kinder haben oder ihre Kinder eigenverantwortlich betreuen. Ein Ehepaar, das zwei Kinder während fünf Tagen pro Woche in einer städtischen Kinderkrippe fremdbetreuen lässt, kostet den Steuerzahler jährlich rund 25‘000 Franken. Ob es denjenigen in Anbetracht dieser ungerechtfertigten Bereicherung wohl ist, die ihre Kinderbetreuung an Kinderkrippen outsourcen? Das kann man mit guten Gründen bezweifeln. Eltern, die sich Weihnachtsgeschenke für ihre Kinder kaufen wollen, gehen ja schliesslich vorher auch nicht beim Nachbar auf Diebestour, um sich die nötigen Mittel zu beschaffen. Ob man nun den Staat vorschickt oder selbst seine Nachbarn beklaut: Der Akt ist und bleibt Raub am Eigentum seiner Mitmenschen.

Familieninitiative schafft Fairness

Im Jahr 2009 beschlossen die Bundesparlamentarier zu allem Übel auch noch Betreuungsabzüge für jene Familien, die ihre Kinder gegen Bezahlung betreuen lassen. Einmal mehr gehen dabei die eigenverantwortlich handelnden Familien leer aus. Sie werden systematisch von der Möglichkeit eines solchen Steuerabzugs ausgeschlossen. Diese Familien werden also gleich doppelt bestraft: Einerseits müssen sie via höhere Steuern die staatlich subventionierten Krippen mitfinanzieren, die sie nicht in Anspruch nehmen. Andererseits können sie im Gegensatz zu fremdbetreuenden Familien keinen Steuerabzug geltend machen, obwohl sie dem Staate nicht zu Lasten fallen in Sachen Kinderbetreuung.

Die SVP-Familieninitiative schafft hier Abhilfe. Sie korrigiert einen dieser beiden Benachteiligungen der traditionellen Familie. Sie will nicht Mütter wieder zurück an den Herd verbannen, wie dies die Gegner der Vorlage gerne suggerieren. Sie will einzig Rechtsgleichheit schaffen für alle Familien mit Kindern in Bezug auf Steuerabzüge. Am anderen Missstand der erzwungenen Quersubventionierung von fremdbetreuenden Familien durch traditionelle Familien rüttelt sie leider nicht. Trotzdem ist die Familieninitiative ein Schritt in die richtige Richtung, da sie zumindest eine von zwei Ungerechtigkeiten abschafft.

Konsequenterweise müsste eine nächste Initiative zum Schutz der Freiheit und der Eigenverantwortung allerdings viel weiter gehen. Sie müsste konkret die sich drehende Interventionsspirale durchbrechen, die die Unabhängigkeit der Familie vom Staat zunehmend bedroht. Im Endeffekt bedeutet das ein konsequenter Rückzug des Staates aus privaten Angelegenheiten wie der Altersvorsorge, der Gesundheit, der „sozialen Sicherheit“ und in allen anderen Gebieten, in denen die Bürokratie wuchert und die Bürger finanziell in den Ruin treibt. Mag sein, dass diese Schlussfolgerung radikal klingt. Wenn man sich allerdings erst einmal der Dynamik der Interventionsspirale bewusst wird, kommt man zum Schluss, dass dies der einzig gangbare Weg zur Sicherung unserer persönlichen Freiheit, Unabhängigkeit und unseres Wohlstandes ist. Ansonsten endet unser Weg – wie Hayek es treffend formuliert hat – in der Knechtschaft.

Olivier Kessler, 1986, studiert International Affairs & Governance an der Universität St. Gallen (HSG). Er ist Kommunikations- und Strategieberater in einer PR-Agentur und freischaffender Journalist. Während vier Jahren war er Sekretär der SVP Kanton Schwyz und orientierte sich stets an einem freiheitsliebenden Kompass.
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