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Das therapeutische Kalifat

Meinungsdiktatur im Namen des Fortschritts

Es ist eine Binsenweisheit, dass die Eliten den öffentlichen Diskurs in Medien, Kultur und Politik dominieren. Immer öfter agieren sie jedoch mit dem moralischen Anspruch von Volkstherapeuten, die alle zum friedlichen Zusammenleben erziehen wollen. Unmerklich hat sich in Westeuropa auf diese Weise ein therapeutisches Kalifat etabliert: Wer mit seinen Ansichten von der verordneten Therapie abweicht, muss mit Sanktionen rechnen. Schließlich wollen die Eliten die Wahrheit alleine definieren. So ist ein neuer Klassenkampf zwischen “Therapeuten” und “Patienten” in unseren Breitengraden entstanden. Feinsinnig und mutig skizziert der Schriftsteller Giuseppe Gracia die “öffentliche Patientenverordnung” in Medien und Politik und plädiert für einen zivilen Ungehorsam und den Mut zum Widerspruch.

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Gegen die Intoleranz

«Im Namen der Toleranz sollten wir uns das Recht vorbehalten, die Intoleranz nicht zu tolerieren.»

Dieser Satz des österreichisch-britischen Philosophen Karl Popper stammt aus dem Jahr 1945 und beeinflusst unsere westliche Kultur bis zum heutigen Tag. Er strahlt eine moralische Standhaftigkeit aus, die uns das Gefühl gibt, auf der richtigen Seite zu stehen. Es tut gut, sich sauber gegen Intoleranz abzugrenzen und zu den Guten zu gehören.

Das zeigt sich immer dann, wenn uns ärgerliche öffentliche Stimmen oder politische Bewegungen begegnen, die angeblich Intoleranz oder Hass schüren, die also moralisch minderwertig sind und uns vor unserem Gewissen dazu verpflichten, im Namen des sozialen Zusammenhalts Zensur zu üben. Wir fühlen uns berechtigt, geistige Brandstifter gegen eine gemeinschaftsdienliche Gesinnung anzuprangern, bevor das Volk unnötig aufgehetzt wird.

Ein Beispiel aus dem Jahr 2018 wäre der Besuch des damaligen Beraters von Donald Trump, Steve Bannon, in der Schweiz. Wie schon beim Besuch anderer politisch unliebsamer Personen fühlten sich moralisch entrüstete Aktivisten, in diesem Fall die sogenannte «Bewegung für den Sozialismus», dazu verpflichtet, den Auftritt zu verhindern.

Der Sprecher der Bewegung begründete das im Falle von Steve Bannon so: «Trump hat hier nichts verloren. Rassismus und Sexismus sind keine Meinung, sondern ein Verbrechen.»

Diese Aussage ist eine Zuspitzung des Gedankens von Karl Popper: Was wir nicht tolerieren, kann als Verbrechen gelten.

In der Tat sehen wir heute sowohl in Europa als auch in den USA immer mehr «antifaschistische», «antirassistische» oder «antisexistische» Gruppen, die uns davon überzeugen wollen, moralisch dubiose Personen oder Ansichten aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Es sind Gruppen, die unerwünschte Meinungen und Auftritte auch gern niederpfeifen und mit Begriffen wie Hate Speech oder Hate Crime öffentlich kriminalisieren.

Selbst ein Mark Zuckerberg, Chef von Facebook, musste bei einer Anhörung vor dem US-Kongress 2018 versichern, dass Facebook keinerlei Hate Speech toleriert. Ob allerdings Facebook selbst, ohne rechtsstaatliche Instanz, darüber entscheiden darf, was genau als Hate Speech gilt, diese Frage wurde von niemandem gestellt.

Das zeigt, wie problematisch die Aussage von Karl Popper ist. Denn auch Popper blendet die Frage aus, wer in einer liberalen Gesellschaft die legitime Instanz sein soll, die den Begriff «Intoleranz» für alle verbindlich definiert. Wer darf festlegen, wann eine Ansicht unter dem Banner der Meinungsfreiheit weiter durch den öffentlichen Raum segeln darf und wann sie verschwinden muss?

Ist es die Justiz? Aber darf ein Richter in Deutschland oder in der Schweiz mehr verlangen als Loyalität zum Gesetz? Darf er Gefühle wie Hass und Antipathie als Verbrechen ahnden? Darf er moralische Zustimmung im Sinne einer Regierung oder scheinbaren Mehrheitsmeinung verlangen? Darf er vom Staat unerwünschte Ansichten bestrafen, zum Beispiel islamkritische, migrationskritische, gendertheorie-kritische oder einfach nur wertkonservative Ansichten?

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