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Ist „Gleichheit“ ein erstrebenswertes Ziel?

Bradley Thomas

Bradley Thomas ist der Gründer der Website EraseTheState.com und Autor des Buches Tweeting Liberty: Libertarian Tweets to Smash Statists and Socialists.

Das wahrscheinlich am häufigsten verwendete Nicht-COVID-Schlagwort im Jahr 2020 war der Begriff „soziale Gerechtigkeit“. Man konnte sich ihm nicht entziehen. Von den Protesten wegen George Floyd bis hin zu den Unruhen und sogar in der Welt des Sports war der Begriff der sozialen Gerechtigkeit und ihrer wichtigsten Komponente – Gleichheit – allgegenwärtig.

Ich kann mir gut vorstellen, wie der verstorbene Murray Rothbard zusammengezuckt wäre, wenn er bei ein Basketballspiel das Wort Gleichheit auf den Rückseiten der Trikots der Spieler gesehen hätte.

Einer von Rothbards berühmtesten Aufsätzen war sein Traktat von 1974 mit dem Titel „Egalitarismus als Revolte gegen die Natur“. Egalitarismus ist nach der Definition von Dictionary.com der „Glaube an die Gleichheit aller Menschen, insbesondere im politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Leben“. Um Missverständnisse zu vermeiden: Als Rothbard den Egalitarismus kritisierte, hatte er dieselbe „Gleichheit“ im Visier, für die die heutige Bewegung für soziale Gerechtigkeit eintritt.

Schon 1974 hatte Rothbard die Tatsache erkannt, dass „Gleichheit“ ein Schlachtruf der Linken war und dass nur wenige bereit waren, die angebliche moralische Überlegenheit solcher Wünsche infrage zu stellen.

„Auf keinem Gebiet hat die Linke Gerechtigkeit und Moral so umfassend und fast universell zugestanden bekommen wie bei ihrem Eintreten für umfassende Gleichheit. Es ist in der Tat selten, dass in den Vereinigten Staaten jemand, insbesondere ein Intellektueller, die Schönheit und Güte des egalitären Ideals infrage stellt“, schrieb er.

Diese breite Akzeptanz veranlasste Rothbard zu der Feststellung, dass „das Ziel der Gleichheit zu lange unkritisch und axiomatisch als ethisches Ideal behandelt wurde“, ein Problem, das Rothbard in seinem Essay zu lösen versuchte.

Ist Gleichheit also eine ethische Idee, die so moralisch rein ist, dass sie nicht infrage gestellt werden darf?

Rothbard antwortete auf diese Frage: „Wenn ein ethisches Ideal von Natur aus ‚unpraktikabel‘ ist, das heißt, wenn es in der Praxis nicht funktionieren kann, dann ist es ein schlechtes Ideal und sollte sofort verworfen werden.“ Kurz gesagt, Rothbard bestand darauf, dass es keine ethische Überlegenheit eines unsinnigen Ziels geben kann. Wenn das Ziel der „Gleichheit“ nicht funktionieren kann, weil es gegen die Natur des Menschen selbst verstößt, sollte es kurzerhand verworfen werden.

Um der Klarheit willen erklärt Rothbard genau, was „Gleichheit“ bedeutet. „Der Begriff ist viel beschworen, aber wenig analysiert worden. A und B sind ‚gleich‘, wenn sie in Bezug auf ein bestimmtes Attribut identisch sind“, erklärte er. Wenn zum Beispiel zwei Menschen beide genau zwei Meter groß sind, kann man sagen, dass sie gleich groß sind. Rothbard fährt fort: „Es gibt also nur eine einzige Möglichkeit, wie zwei Menschen wirk- lich im wahrsten Sinne des Wortes ‘gleich’ sein können: Sie müssen in allen ihren Eigenschaften identisch sein.“

Jeder, der sich auch nur ein bisschen mit der Realität auskennt, erkennt jedoch, dass die menschliche Spezies, die Menschheit, „in einzigartiger Weise durch ein hohes Maß an Vielfalt, Diversität, Differenzierung, kurz gesagt, Ungleichheit gekennzeichnet ist“, wie er feststellt. Rothbard fügt hinzu: „Die uralte Geschichte der Ungleichheit scheint darauf hinzuweisen, dass diese Variabilität und Vielfalt in der biologischen Natur des Menschen verwurzelt ist.“

Zu diesen menschlichen Ungleichheiten und Unterschieden gehören Eigenschaften wie Intelligenz, Ehrgeiz, Arbeitsmoral, Fähigkeiten, Fertigkeiten usw. Um diesen Punkt zu unterstreichen, zitiert Rothbard den Biochemiker Roger J. Williams aus seinem 1953 erschienenen Buch Free and Unequal:

Individuen unterscheiden sich selbst in den kleinsten Details der Anatomie und der Körperchemie und -physik; Finger- und Zehenabdrücke; mikroskopische Beschaffenheit der Haare … Charakter der Gehirnwellen … und so weiter fast ad infinitum. …

Es ist nicht nur möglich, sondern sicher, dass jeder Mensch durch Vererbung ein äußerst komplexes Mosaik besitzt, das aus Tausenden von Elementen besteht, die nur für ihn charakteristisch sind.

 

In diesem Zusammenhang verweist Rothbard auf das „Eiserne Gesetz der Oligarchie“, die Einsicht, dass „in jeder Organisation oder Tätigkeit einige wenige (im Allgemeinen die fähigsten und/oder die interessiertesten) als Anführer enden werden, während die Masse der Mitglieder die Reihen der Mitläufer füllt“.

Rothbard stellte fest, dass die Egalitaristen auf diese sich abzeichnenden gesellschaftlichen Hierarchien reagieren würden, indem sie darauf bestehen, dass die „Kultur“ und nicht die natürlichen menschlichen Unterschiede für diese Ungleichheiten verantwortlich sind. „Da die Egalitaristen von dem Apriori-Axiom ausgehen, dass alle Menschen und damit auch alle Gruppen von Menschen gleich sind, folgt daraus für sie, dass alle Gruppenunterschiede in Bezug auf Status, Prestige oder Autorität in der Gesellschaft das Ergebnis ungerechter ‚Unterdrückung‘ und irrationaler ‚Dis- kriminierung‘ sein müssen“, bemerkte er.

Wenn die vermeintlichen Institutionen beseitigt werden, die diese „Unterdrückung“ verursachen, so die linken Egalitaristen, kann es eine Gesellschaft der Gleichheit der Ergebnisse geben, so wie es die soziale Gerechtigkeit erfordert. Diese Argumentation überzeugt die Egalitaristen davon, dass ihr Ziel der Gleichheit in der Gesellschaft durch die Veränderung kultureller Institutionen, wie der Marktwirtschaft und des Patriarchats, erreicht werden kann.

Was die Egalitaristen jedoch nicht erkennen, ist, dass die Institution, die für die größte Unterdrückung der Gesellschaft verantwortlich ist, das von ihnen gewählte Instrument zur Schaffung von „Gleichheit“ ist: der Staat.

Um es klar zu sagen: Rothbard führt keineswegs alle Ungleichheit auf die vielfältige und einzigartige Natur des einzelnen Menschen zurück. Ausgerechnet er hat auf die unterdrückerische Natur des Staates hingewiesen und darauf, wie er Leid – und Wohltaten – ungleich verteilt. Die Rolle des Staates bei der Schaffung von Ungerechtigkeiten zu benennen, lohnt sich.

Der Fehler der Egalitaristen liegt laut Rothbard darin, dass sie die menschliche Vielfalt als Erklärung für die Ungleichheit der Ergebnisse völlig außer Acht lassen und bereit sind, ungerechte Mittel einzusetzen, um ihr Ideal einer Gesellschaft aus undifferenzierten und einheitlichen Menschen durchzusetzen.

„Der Kern der egalitären Linken“, schrieb Rothbard, „ist der pathologische Glaube, dass es keine Struktur der Realität gibt“ und weiter, dass die Egalitaristen glauben, dass die Realität der menschlichen Vielfalt „durch bloßen Wunsch“ oder „die bloße Ausübung des menschlichen Willens“ verändert werden kann. Um diesen „Willen“ der Egalitaristen durchzusetzen, bedarf es natürlich der Anwendung von Gewalt und Zwang durch eine mächtige Führungselite.

„Eine egalitäre Gesellschaft kann nur hoffen, ihre Ziele durch totalitäre Zwangsmethoden zu erreichen“, schloss Rothbard. Diese erzwungene Konformität ist nach Rothbard „antihuman“ und deshalb ist das Ziel des Egalitarismus – oder der Gleichheit – eine „Revolte“ gegen die biologische Realität unserer Einzigartigkeit. Daraus leitet er sein abschließendes Urteil ab: „Da ihre Methodik und ihre Ziele die Struktur der Menschheit und des Universums selbst leugnen, sind die Egalitaristen zutiefst antihuman. Daher können ihre Ideologie und ihre Aktivitäten auch als zutiefst bösartig bezeichnet werden.“

 

(Dieser Artikel stammt aus dem Buch «Voluntarismus».)

Voluntarismus: Aufsätze, Texte und Zitate über die Freiheit

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