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Zwangsapostel und Voluntaristen

Donald J. Boudreaux, Ph.D.
Foundation for Economic Education

Donald J. Boudreaux ist Senior Fellow des F.A. Hayek Program for Advanced Study in Philosophy, Politics, and Economics am Mercatus Center der George Mason University. Er ist Professor für Wirtschaftswissenschaften (und ehemaliger Vorsitzender des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften) an der George Mason University. Seine Spezialgebiete sind Globalisierung und Handel, Recht und Wirtschaft sowie Kartellökonomie.

Die Einordnung einer politischen Position in ein einfaches Links-Rechts-Schema lässt etwas zu wünschen übrig. Politische Ansichten umfassen eine so große Themenvielfalt, dass es unmöglich ist, eine Person angemessen zu beschreiben, indem man einfach nur irgendwo auf einer horizontalen Linie einträgt.

Die Verwendung einer Links-Rechts-Skala macht eine zufriedenstellende Beschreibung der libertären (und klassisch-liberalen) Haltung gegenüber der Regierung unmöglich. Libertäre lehnen nicht nur die staatliche Lenkung wirtschaftlicher Angelegenheiten ab, sondern auch die Einmischung der Regierung in das persönliche Leben friedlicher Menschen. Macht diese Ablehnung die Libertären zu „Rechten“ (weil sie das freie Unternehmertum befürworten) oder zu „Linken“ (weil sie sich gegen die Einmischung des Staates in Privatangelegenheiten aussprechen)? Als Kommunikationsinstrument leidet die Links-Rechts-Skala an akuter Anämie.

Dennoch wird sie trotz der weit verbreiteten Unzufriedenheit damit weiter verwendet. Ein Grund für diese Beständigkeit ist die Bequemlichkeit. Es scheint nicht weiter wichtig zu sein, dass alle wichtigen Nuancen ignoriert werden, wenn man jemanden als, sagen wir, „rechts von Richard Nixon“ oder „links von Lyndon Johnson“ beschreibt. Die Beschreibung dauert nur wenige Sekunden und beansprucht nicht die Auffassungsgabe der Zuschauer der Abendnachrichten.

Es nützt also nichts, sich darüber zu beklagen, dass die Massenmedien darauf bestehen, ein eindimensionales Instrument zur Beschreibung politischer Ansichten zu verwenden. Eine sinnvollere Strategie zur Verbesserung der politischen Diskussion besteht darin, eine Reihe von anschaulicheren Begriffen zu verwenden.

Ein interessanter Vorschlag hierzu kommt von Professor Richard Gamble, der Geschichte an der Palm Beach Atlantic University lehrt. Gamble schlägt vor, jemanden nicht mehr als „links“ oder „rechts“ zu bezeichnen, sondern als „Zentralist“ oder „Dezentralist“. Diese „zentralistisch-dezentralistische“ Einordnung wäre eine enorme Verbesserung gegenüber des verworrenen „Links-Rechts“-Schemas. Leider sorgt die „zentralistisch-dezentralistische“ Perspektive für ein eigenes Verwirrungspotenzial – nämlich, dass jemand als „dezentralistisch“ verstanden werden kann, der das unterstützt, was Clint Bolick als „Tyrannei der Basis“ bezeichnet. Gibt es eine noch bessere Bezeichnung für ein eindimensionales politisches Spektrum? Ich denke ja: „Zwangsbefürworter-Voluntarist“.

Am einen Ende dieses Spektrums stehen die Zwangsbefürworter. Sie sind der Meinung, dass die gesamte gesellschaftliche Ordnung von einer allumfassenden Staatsmacht bewusst gestaltet und umgesetzt werden muss. Zwangsbefürworter können sich nicht vorstellen, wie Individuen ohne Vorgaben von oben ihre Handlungen jemals so gestalten können, dass sie nicht nur geordnet, sondern auch friedlich und produktiv sind. Für den Zwangsbefürworter ist die Steuerung durch eine Staatsmacht für die Schaffung einer sozialen Ordnung so unabdingbar wie die feine Handwerkskunst eines Uhrmachers für die Herstellung einer Uhr.

Am anderen Ende des Spektrums stehen die Voluntaristen. Voluntaristen verstehen zwei wichtige Zusammenhänge in der Gesellschaft, die die Zwangsbefürworter übersehen. Erstens verstehen sie, dass eine soziale Ordnung ohne staatliche Zwangsmaßnahmen entstehen wird, solange die Grundprinzipien des Privateigentums und der freiwilligen Vertragsabschlüsse eingehalten werden. Diese unausweichliche Entstehung einer sozialen Ordnung, wenn solche Regeln beachtet werden, ist das große Lehrstück von Adam Smith, Ludwig von Mises, F.A. Hayek und all den anderen großen Ökonomen der Geschichte.

Zweitens verstehen Voluntaristen, dass eine soziale Zwangsbeglückung durch den Staat weit davon entfernt ist, die soziale Harmonie zu fördern. Sie wird vielmehr die bestehende soziale Ordnung zerstören. Voluntaristen verstehen die Tatsache, dass eine echte und produktive soziale Ordnung nur dann möglich ist, wenn jeder Mensch frei ist, seine eigenen Ziele auf seine eigene Weise zu verfolgen, ohne durch staatlichen Zwang eingeschränkt zu werden. Staatliche Gewalt ist der Feind der sozialen Ordnung, weil sie willkürlich ist. Sie begünstigt Menschen unabhängig davon, ob sie etwas für ihre Mitmenschen zu bieten haben. Und selbst wenn die staatliche Gewalt auf wundersame Weise von ihrer Willkür befreit werden könnte, wird sie in grober Unwissenheit angewendet. Es ist vollkommen illusorisch, dass der Staat jemals über all das immense und detaillierte Wissen verfügen kann, das für eine erfolgreiche zentrale Lenkung menschlicher Angelegenheiten erforderlich ist.

Die Gesellschaft besteht aus der Zusammenarbeit von Hunderten von Millionen von Menschen, von denen jeder auf der Grundlage seines eigenen, einzigartigen Wissens über individuelle Bedürfnisse, Talente, Berufe und Umstände handelt. Kein Bürokrat kann genug über Softwaredesign wissen, um Bill Gates zu übertreffen, oder genug über den Einzelhandel, um die Leute bei Wal-Mart erfolgreich zu übertrumpfen, oder genug über irgendeine der Millionen verschiedenen Branchen, um Menschen zu übertreffen, die in ihren verschiedenen Berufen hoch spezialisiert sind.

Das Spektrum zwischen Zwangsbefürwortern und Voluntaristen ist dem Links-Rechts-Schema überlegen, wenn es darum geht, die Freunde der Freiheit von ihren Feinden zu unterscheiden. Die Befürwortung hoher Steuern und invasiver staatlicher Wirtschaftsregulierung ist typisch „sozialdemokratisch“ und zweifelsfrei Zwangsbefürwortung. Aber Achtung: Auch ein Konservativer, der die staatliche Regulierung dessen, was Erwachsene freiwillig lesen, ansehen oder zu sich nehmen, begrüßt, ist ebenfalls ein Zwangsbefürworter. Beide Seiten sind der Meinung, dass die gesellschaftliche Ordnung im Chaos versinkt, wenn sich die Staatsmacht nicht in unzählige private Bereiche einmischt.

Voluntaristen wird oft vorgeworfen, dass sie die völlige Befreiung des Einzelnen von allen Zwängen befürworten. Das ist Unsinn. Sie sind zwar dagegen, dass den Menschen einseitig Beschränkungen aufgezwungen werden, aber vernünftige Voluntaristen lehnen Beschränkungen nicht als solche ab. Sie erkennen im Gegensatz zu Zwangsbefürwortern aber an, dass vernünftige Beschränkungen des individuellen Verhaltens dezentral und auf friedlichen Wegen entstehen. Eltern zügeln ihre Kinder. Nachbarn nutzen sowohl formelle als auch informelle Mittel, um sich gegenseitig von nachbarschaftsschädigendem Verhalten abzuhalten. Die Möglichkeit der Käufer zu wählen, wo sie ihr Geld ausgeben, hält Unternehmen davon ab, Kunden schlecht zu behandeln.

Eine freie Gesellschaft ist voll von solchen dezentral und ohne Zwang auferlegten Beschränkungen. Es ist der freiwillige Ursprung solcher Beschränkungen, der sie vertrauenswürdiger macht als aufgezwungene Beschränkungen. Freiwillige Beschränkungen entstehen dezentral aus dem Geben und Nehmen im täglichen Leben und berücksichtigen Kosten und Nutzen der Beschränkung und des beschränkten Verhaltens. Aufgezwungene Beschränkungen sind dagegen meist nicht gerade das Ergebnis dieses „Gebens und Nehmens“ der Betroffenen, sondern das Ergebnis politischer Absprachen. Und politische Absprachen sind notorisch einseitig auf die Wünsche der politisch gut Organisierten ausgerichtet, während die Wünsche derjenigen ignoriert werden, die nicht in der Lage sind, wirksame politische Koalitionen zu bilden. Darüber hinaus befreien sich die Mitglieder der politischen Klasse selbst oft von genau den Zwängen, die sie anderen auferlegen. Aufgezwungene Beschränkungen sind keine sozialen Beschränkungen, sondern willkürliche Befehle der politisch Privilegierten. Der wahre Voluntarist verabscheut nichts so sehr wie den Zwang – egal ob er von den „Linken“ oder den „Rechten“ ausgeübt wird.

 

(Dieser Artikel stammt aus dem Buch «Voluntarismus».)

Voluntarismus: Aufsätze, Texte und Zitate über die Freiheit

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